Wer einen Angehörigen pflegt, bewegt sich oft mit seinen Kräften und innerhalb seiner eigenen Familienstrukturen, auf dünnem Eis. Oft funktioniert der eigene Alltag nur, wenn wirklich alle mit anpacken und an einem Strang ziehen. Aber auch, wenn die Zeit der Pflege an Intensität kaum zu überbieten ist, möchten die meisten, wenn es gut läuft,  sie im Nachhinein nicht missen. Wer während der Zeit der Pflege eine Erholungsphase braucht, hat mehrere Möglichkeiten, über die wir euch informieren möchten.

Die Pflege eines Angehörigen ist eine große Verantwortung:

Je nachdem, in welchen Alltagsstrukturen man steckt, bevor man sich zur Pflege eines Angehörigen entscheidet, fällt die Umstellung auf ein vollkommen neues System für die Familie schwer. Aber abgesehen vom Zeitmanagement und dem Kräftehaushalt, übernimmt man auch eine Form der Verantwortung gegenüber einem Menschen, welche man erst einmal schlucken muss. In den meisten Fällen wird es sich wohl um die eigene Mutter oder den Vater handeln. Man muss also auch im Kopf einen Schalter umlegen, den man bisher garnicht kannte. Es vollzieht sich bis zu einem gewissen Grad ein Rollentausch, den beide Seiten akzeptieren können müssen.

Es gibt viele pflegebedürftige Menschen, die sich nicht vorstellen können, den eigenen Kindern die Intimpflege zu überlassen. Viel lieber wäre ihnen da eine bis dahin vollkommen unbekannte Person. Vielleicht sollte sie auch eines bestimmten Geschlechts sein. Jeder Mensch hat seine ganz eigene Schamgrenze. Und auch in der Pflege sollte man gemeinsame Lösungen finden, um diese gegenseitig zu wahren! Wenn man mit der zu pflegenden Person vorab solche Gespräche führt, wird oft schnell klar, dass beide Seiten ein enormes emotionales Risiko eingehen. Ist man sich dessen bewusst, wird man aber gut miteinander auskommen.

Aber so gut es auch läuft, kommt der eigene Akku ab und an auf einen niedrigen Füllstand. Ob im Berufsleben oder als Pflegeperson, jeder Mensch braucht Gelegenheiten, um dem stressigen Alltag zu entfliehen. Aber gerade in der Pflege eines Angehörigen, lastet ein gewisser Grad an permanentem Druck auf einem, welchen man in regelmäßigen Abständen entlasten sollte. Denn natürlich haben die wenigsten Pflegepersonen vorher einen entsprechenden Beruf erlernt. Sie bewegen sich täglich auf Neuland. Mit der Zeit müssen sie feststellen, dass eine Pflegesituation niemals still steht. Es gibt immer Bewegung im gesundheitlichen Zustand der oder des Pflegebedürftigen. Sich jeden Tag aufs Neue darauf einzustellen, bedeutet einen enormen Kraftaufwand.

Gesetzlicher Anspruch auf Urlaub: die Verhinderungspflege

Wenn man sich die vorhergehenden Absätze durchliest, mag man das Gefühl bekommen, dass man lieber von Anfang an einknickt, um seine Eltern in ein Pflegeheim zu geben. Aber das wäre in den meisten Fällen vollkommen falsch! Es ist nur wichtig zu verstehen, dass es natürlich stimmt, wenn die Menschen sagen, dass es ein enormer Kraftakt sein kann, eine Person zu pflegen. Und eigentlich ist man sich dessen auch bewusst. Und das ist vollkommen in Ordnung!

Wichtig ist, dass man, genau wie im restlichen Leben, auch auf sich selber und seine Bedürfnisse und Grenzen achtet. Denn nur, wenn man selber fit ist und bleibt, kann man der Pflegesituation gerecht werden. Und neben all der Anstrengung, gibt es unzählige tolle Momente, die einem niemand mehr nehmen kann. Aber dazu später mehr!

Wenn der Moment gekommen ist, an dem man sich eine Auszeit nehmen möchte, hat man mehrere Möglichkeiten. Zum einen kann man natürlich versuchen, aus der Familie eine Ersatzperson zu aktivieren, welche mit ein wenig Einarbeitung, die vorübergehende Pflege übernimmt. Ist diese Möglichkeit nicht gegeben, kann man alternativ eine Kurzzeitpflegestelle in einem Pflegeheim, oder in einem Krankenhaus in Anspruch nehmen. Auch eine gleichzeitige Rehamaßnahme für die zu pflegende Person ist eine Alternative.

Allerdings gibt es mit der Möglichkeit der Verhinderungspflege eine weitaus angenehmere Lösung. Die Verhinderungspflege ist ein gesetzlicher Anspruch für Pflegepersonen, welcher zum Beispiel im Krankheitsfall, während einer Kur, oder während man sich in Urlaub befindet, greift. Die häusliche Pflege der Angehörigen, wird vor Ort von gut geschultem Personal übernommen. So kann man mit einem guten Gefühl, und mit finanziellem Ausgleich, seine Erholungsphase genießen.

Wer einen Angehörigen mindestens 6 Monate gepflegt hat, dem stehen bis zu 28 Tage Verhinderungspflege (pro Jahr) zu. Übernimmt ein weiteres Familienmitglied die Pflege während der Abwesenheit, wird lediglich das Pflegegeld weiter gezahlt. Kommt ein anerkannter Pflegedienst zum Einsatz, wird dies von den Pflegekassen speziell gestützt. In den meisten Fällen wird dies die verträglichste Lösung für die zu pflegende Person sein. Sie wird ihrem gewohnten Umfeld nicht entrissen, und bekommt eine intensive Betreuung, bei der alle gut schlafen können.

Fragen zum Finanziellen im Video erklärt:

Die Pflege eines Angehörigen – das Leben miteinander teilen!

Ganz allgemein kann man sagen, dass sich niemand, der die Möglichkeit sieht, einen Angehörigen zu Hause zu pflegen, diese Chance entgehen lassen sollte. Wenn Überlastung droht, gibt es unter anderem die Verhinderungspflege, um für Luft zu sorgen.

Aber gerade der zwischenmenschliche Aspekt, entschädigt einen für vieles. Denn sehr viele Menschen, die in der Vergangenheit einen Angehörigen gepflegt haben, berichten von ganz tollen Momenten, die ihnen niemand mehr nehmen kann. Insbesondere wenn es um Mutter oder Vater ging, hat sich in der Zeit der Pflege, eine ganz eigene Dynamik durch diese Situation entwickelt. Oft führt man Gespräche in einer Vertrautheit, die man als erwachsenes Kind niemals geführt hätte, wäre es nicht zur Pflege gekommen. All die kleinen Geschichten, von denen man glaubte, sie schon zu Genüge zu kennen, bekommen einen ganz bildhaften und weitaus tieferen Charakter.


Wer hat's geschrieben?

Torsten Esser

Torsten hat das Vollzeit-Papa-Diplom. Er hat einen kleinen Sohn und eine Stieftochter, die er liebt, als wäre es seine eigene. Darüber hinaus hat er acht Semester lang "Soziale Arbeit" studiert. Mit einer unübertroffenen Mischung aus Wissen und Bauchgefühl, ist er der geborene Autor für dieses Magazin. Und ganz nebenbei kümmert er sich als Gründer und Inhaber von 1-2-family.de um alle Belange des Magazins. (Bild: © Chantal Reimann)

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