Die Gewerkschaften der Sozial-und Erziehungsberufe, haben die Beschäftigten in den Krippen, Kitas und offenen Ganztagsbetreuungen der Schulen, zu Warnstreiks aufgerufen. Für die Eltern bedeutet das in den jeweils betroffen Kitas und Ganztagsschulen, dass die Betreuung für ihre Kinder über den Streikzeitraum ausfallen könnte.

Das ist für Eltern und Kinder ärgerlich. Dabei geht es in diesen Verhandlungen in erster Linie (tatsächlich) um sie. Denn die Verhandlungsinhalte drehen sich sehr direkt auch um die Arbeit mit den Kindern. Geld und Löhne spielen eine nur recht untergeordnete Rolle. Aber schauen wir uns doch im Einzelnen an, worum es geht.

Stressfaktor Streik in Kita und OGS

Am Freitag den 18.03.2022 wurde in ganz Deutschland gestreikt. Die Mitarbeiter in Kitas, Krippen, Offenen Ganztagsschulen (OGS) und vielen mehr, sind auf die Straßen gegangen. Die Folge daraus, waren geschlossene Einrichtungen und keine (oder nur eingeschränkte) Betreuung der Kinder. In den meisten Fällen wurden die Eltern frühzeitig informiert. Dennoch, der Stressfaktor durch den Streik der pädagogischen Fachkräfte, lastet auf den Eltern. Schnell muss eine Lösung für die fehlende Betreuung gefunden werden. Ein wirklich nervenaufreibender Zustand, dem Eltern nicht immer zwingend mit Verständnis gegenüberstehen.

Rücksicht und Verständnis trotz Warnstreiks

Die Eltern leiden unter den Streiktagen – das ist den Fachkräften und auch den Gewerkschaften bewusst. Aus diesem Grund wird versucht, die Streikaktionen kurz und prägnant zu gestalten. Im besten Fall werden die Eltern sogar in die Aktionen der Einrichtungen eingebunden. Doch leider reagieren die bestreikten Arbeitgeber oftmals nur, wenn der Druck steigt. Somit sind die Gewerkschaften bei ihren Verhandlungen oft auf Warnstreiks angewiesen. Während der akuten Krise der Corona-Pandemie, samt Lockdown und eingeschränkten Betreuungsmöglichkeiten, haben die Gewerkschaften bewusst auf die Verhandlungen für den Tarifvertrag verzichtet. Es sollte weder für die Eltern, noch die Arbeitgeber, aber vor allem für die Kinder, noch mehr Chaos durch Warnstreiks entstehen. Doch nun haben die Verhandlungen im Februar begonnen und diese gestalten sich aktuell enorm schwierig.

Für die Bildung und die Zukunft der Kinder

Warnstreiks und Tarifverhandlungen werden in den meisten Fällen, nur mit dem Wunsch nach mehr Gehalt in Verbindung gebracht. In der Vorstellung geht es “nur” um den eigenen Vorteil der Streikenden. Mehr Gehalt, weniger Arbeitsstunden, mehr Urlaub, etc. Doch in der aktuellen Tarifverhandlung im Sozial-und Erziehungsdienst, spielt dieser Aspekt nur eine sehr untergeordnete Rolle. Es geht viel mehr um die Möglichkeit, die Bildung und die Zukunft der Kinder zu verbessern, bzw., zu sichern. Die Gewerkschaften kämpfen für die Fachkräfte und alle Kinder und Jugendlichen, die in diesem System betreut und gebildet werden sollen.

Die Bedingungen müssen sich ändern

Ziel der Tarifverhandlungen ist unter anderen die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Durch die in den einzelnen Bundesländern geltenden Kinderbetreuungsgesetzte und Bildungspläne, ist der Arbeitsaufwand im Bereich der Dokumentation, Organisation, Planung und Vor- sowie Nachbereitung, stark gestiegen. Das bedeutet, dass die Fachkräfte mehr Zeit mit Entwicklungsbögen, Bildungsdokumentationen und dergleichen verbringen müssen. Dabei geht viel Zeit für die pädagogische Arbeit mit den Kindern verloren. So findet man die Fachkräfte am Tisch sitzend, verschiedene Entwicklungsbögen ausfüllen, während 24 Kinder im Alter zwischen 3 und 6 Jahren, durch die Gruppe hüpfen.

Viel lieber würde man in dieser Zeit mit den Kindern die Natur erkunden, oder die ersten Experimente durchführen. Daher wünschen sich Erzieher/innen und alle anderen Fachkräfte, dass die Zeit für diese schriftlichen Aufgaben, fest in die Dienstpläne eingebunden werden. So würden sie nicht in die reguläre Zeit für den Gruppendienst fallen. Denn nur dann kann eine effektive pädagogische Arbeit gewährleistet werden.

Lösungssuche für den Personalmangel

Aktuell müssen immer mehr Betreuungseinrichtungen, ihre zu betreuende Kinderanzahl verkleinern, können nur Notbetreuungen anbieten, oder müssen sogar gänzlich schließen. Grund dafür ist der enorme Personalmangel. Die Corona-Pandemie erschwert die Lage zusätzlich. Denn neben den vielen unbesetzten Stellen, fehlen nun auch viele Mitarbeiter, die krank oder in Quarantäne sind.

Und so stehen nicht selten die Eltern morgens an der Kita-Türe und müssen erfahren, dass sie ihre Kinder bereits vor dem Mittagessen wieder abholen müssen. Auch hier kann längst nicht mehr von guter und qualitativ hochwertiger pädagogischer Arbeit gesprochen werden. Wenn 2 Fachkräfte, 24 Kinder betreuen und fördern sollen, wieviel Zeit bekommt dann jedes Kind wirklich? Das erfüllt in keinster Weise den Anspruch, den Eltern für ihr Kind, an die Kita oder die OGS haben. Daher wünschen sich die Fachkräfte zur Bekämpfung des Fachkräftemangels :

  • einen Anspruch zur Weiterqualifizierung von Kinderpfleger/innen und Sozialassisten/innen zum/zur Erzieher/in.
  • Qualifikationen und Zeitkontigente zur Anleitung von neuen Fachkräften (Begleitung der Auszubildenden).
  • Die Möglichkeiten der praxisintegrierten Ausbildung mit Vergütung, für die Ausbildung zum/zur Heilerziehungspfleger/in.
  • Anerkennung der Berufserfahrung, auch bei Neueinstellungen bei einem anderen Träger.
  • Ansprechende Voraussetzungen und Eingruppierungen in den Entgeldtabellen, zum erfolgreichen Rekrutieren von Fachkräften (bundesweit).
  • Angemessene und an den Arbeitsanforderungen orientierte Eingruppierung in der Entgeldtabelle, bei Einrichtungsleitungen und stellvertretenden Einrichtungsleitungen.
  • Anerkennung der Arbeitsanforderungen im Bereich des offenen Ganztags – und bundeseinheitliche Eingruppierungen in den Entgeldtabellen.

Anerkennung der Inklusion und Schulbegleitung

Mit dem BTHG (Bundesteilhabe-Gesetz) ist der Weg zur Inklusion in allen Lebensbereichen geebnet worden. Alle Kinder und Jugendlichen haben damit einen Anspruch auf Teilhabe in Kitas und Schulen. Im Zuge dessen stehen den Eltern und Kindern viele Hilfen zur Verfügung. Unter anderem die Kita-und Schulbegleitung, auch Integrationshelfer/in genannt. Diese unterstützen die Kinder und Jugendlichen bei ihrem Besuch in den Einrichtungen und können die Eltern entlasten. Bisher fehlt jedoch genau diesen Berufsgruppen die nötige Anerkennung im Tarif des Sozial-und Erziehungsdienstes. Daher stellt die Gewerkschaft die Forderung nach einer einheitlichen und festgelegten Eingruppierung im Tarifvertrag.

Betreuung und Bildung müssen an erster Stelle stehen

Mit den Forderungen, die die Gewerkschaften stellvertretend für die Fachkräfte stellen, möchten sie die essentielle Aufgabe, die Betreuung und Bildung der Kinder, in den Vordergrund stellen. Die qualitative pädagogische Arbeit muss an erster Stelle stehen, damit die Kinder einen guten Grundstein für ihre Zukunft im weiteren Bildungssystem bekommen. Dafür braucht es genügend Zeit, eine gute Ausbildung – und deutlich mehr pädagogische Fachkräfte.

So unangenehm eine Streiksituation, gerade auch während der weiterhin angespannten Corona-Lage ist, sind die verhandelten Themen nicht nur für das Personal, sondern auch für die betreuten Kinder und deren Eltern, unglaublich wichtig – und längst überfällig. Man weiß ja, was passieren muss, damit es besser wird. Jetzt muss es “nur noch” erstritten werden.

Drücken wir die Daumen!


Wer hat's geschrieben?

Jacqueline Esser

Erzieherin, Mutter, Autorin

Jacqueline ist staatlich anerkannte Erzieherin, Fachkraft für U3 Betreuung und Inklusions- und Integrations Pädagogin. Neben ihrer beruflichen Laufbahn, ist sie Mutter von zwei Kindern. Einem Mädchen und einem Jungen. Ihre Erfahrungen schöpft sie also aus beruflichen sowie privaten Herausforderungen. Dies macht sie zu einer perfekten Autorin für unser Magazin.

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