Gestern noch hat der Sohn mit Autos auf dem Teppich gespielt und heute trägt er zum ersten Mal Parfüm. Und die Tochter die noch vor kurzem mit Mama auf dem Sofa gekuschelt hat, verschließt nun die Badezimmertür. Herzlichen willkommen in der Pubertät!

Ab sofort ist alles schrecklich. Mamas Outfit: Peinlich! Papas Auto: Peinlich! Kuss an der Schule? Auf keinen Fall! Beinahe egal, was Eltern tun, sie erhalten eine Abfuhr ihrer Kinder. Einfach alles erhält den Stempel “Peinlich“. Eigentlich sind Eltern darauf vorbereitet, denn das Schreckgespenst Pubertät kennt man, aber die Nebenwirkungen erwischen einen trotzdem eiskalt.

Mami und Papi – vorbei die Zeit der Niedlichkeit 

Wie kommt es, dass der heiß geliebte Papi von einem auf den anderen Tag vom Töchterchen vom Thron gestoßen wird? Und alles was Mama tut, nun so gar nicht geht? Abgrenzung ist das Stichwort. Bereits im Alter zwischen vier und zehn Jahren beginnen Kinder, andere zu beobachten und sich deren Vorlieben und Abneigungen zu merken und sich dem anzupassen. In der Pubertät dann haben die Kinder Angst, dass das vermeintlich peinliche, oder andersartige Verhalten ihrer Eltern, in der Wahrnehmung von anderen Kindern auf Ablehnung trifft, und so die Zugehörigkeit zur Gruppe gefährdet wäre. So wird alles was nicht der “Norm” der eigenen Altersgruppe entspricht, abgelehnt.

Wer bin ich – die Identitätsfindung 

Mit dem Beginn der Pubertät wird das eigene Ich immer wichtiger. Alles was dazu dient, die eigene Identität zu finden, rückt nun in den Vordergrund. Es wird experimentiert was das Zeug hält. Wechselnde Kleidungsstile, bunte Haare, einfach alles wird ausprobiert. Gerade alles, was den Werten und Konventionen der eigenen Eltern nicht entspricht, wird zumindest innerlich einmal durchlebt. Abgrenzung von den Eltern, von deren Verhaltensweisen, Gewohnheiten, und auch dem Lebensmodell ist Teil einer normalen Entwicklung. Und so werden Mamas roter Lippenstift und Papas Vokuhila zum großen Familienproblem deklariert. Die Eltern sind somit zumindest vorübergehend als Vorbild gestrichen!

Wichtiger Schritt in Richtung Selbständigkeit 

Natürlich empfinden viele Eltern solch eine plötzliche Ablehnung als Schlag ins Gesicht. Doch so hart es klingen mag: Nehmt es euren Kindern nicht übel! Sie meinen es nämlich nicht wirklich böse. Diese Abgrenzung ist ein durchaus normaler Weg in Richtung Selbständigkeit. Denn nur so können Kinder den notwendigen Ablöseprozess vom Elternhaus bewältigen. Dieser gelingt nämlich nur, wenn Kinder ihre individuelle Persönlichkeit entwickelt haben, und bereit sind, ihr eigenes Leben – auf ihren eigenen Füßen – zu führen.

Pubertierende stellen noch viele Male die Beziehung zu ihren Eltern auf eine harte Probe. Doch sie vertrauen darauf, dass das familiäre Band hält. Und so heißt es für Mama und Papa: Zähne zusammenbeißen, sich in Toleranz üben, und Geduld beweisen. Denn der Weg zum erwachsenen Menschen ist für Kinder kein leichter!


Wer hat's geschrieben?

Jacqueline Esser

Erzieherin, Mutter, Autorin

Jacqueline ist staatlich anerkannte Erzieherin, Fachkraft für U3 Betreuung und Inklusions- und Integrations Pädagogin. Neben ihrer beruflichen Laufbahn, ist sie Mutter von zwei Kindern. Einem Mädchen und einem Jungen. Ihre Erfahrungen schöpft sie also aus beruflichen sowie privaten Herausforderungen. Dies macht sie zu einer perfekten Autorin für unser Magazin.

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