Eigentlich nicht erst seit Beginn der Coronakrise, aber sicherlich spätestens ab der vorübergehenden Schließung von Schulen aufgrund der Pandemie, spüren auch Eltern, wie sehr die Digitalisierung in Deutschland schwächelt. Und das ist noch gelinde ausgedrückt. Macht man sich einmal die Mühe, um den internationalen Vergleich zu wagen, wird man beinahe bleich. Wo Deutschland seit langem als stärkste Volkswirtschaft der EU gilt, staubt man – nicht zuletzt – beim digitalen Lernen, regelmäßig hinterste Plätze ab. Tauchen wir kurz ab in eine Welt von furchtbaren Zuständen und tollen Leuchtturmprojekten.

Von der spontanen Erfindung des Home-Schooling

Der März 2020 wird in jedem Fall in die Geschichtsbücher eingehen. Denn “damals” wurden Schulen und Kitas aufgrund der massiven Ausbreitung des Coronavirus bundesweit geschlossen. Und damit kamen viele Befürchtungen, welche bis dahin nur in Fachgremien diskutiert wurden, ganz akut in der breiten Bevölkerung, als unangenehme Tatsache an.

Kaum ein Elternteil hatte sich bis dahin ernsthafte Gedanken darüber gemacht, ob die Digitalisierung von Schulunterricht, in irgendeiner Form, einmal wichtig werden könnte. Wenn man an Schule dachte, hatte man meist andere Sorgen. Ganztagsbetreuung, Hausaufgabenhilfe, alltägliche Konflikte. Digitales Lernen war sicher selten ein Reibungspunkt in Bezug auf Schule.


Nun musste ganz spontan das Home-Schooling im Großformat erfunden und organisiert werden. Und da wurde ganz schnell deutlich, dass es bundesweit schon an den simpelsten Grundlagen fehlt:

– Ausreichende Hochgeschwindigkeitsleitungen mit entsprechender Bandbreite für das W-LAN an Schulen
– Flächendeckendes schnelles Internet für private Haushalte
– Arbeitsplätze und Geräte für Lehrer, um digitales Lernen vorzubereiten und durchzuführen
– Passende Endgeräte für jeden Schüler / jede Schülerin
– Flächendeckende lizenzierte und datenschutzkonforme Plattformen und Software, um digitales Lernen durchzuführen
– Gut ausgebildete Lehrer, um dem digitalen Lernen, kreativ und didaktisch Leben einzuhauchen
Motivation und Selbstverständnis im System des digitalen Lernens

Man blieb weit hinter seinen Möglichkeiten

Trotzdem ist es natürlich so, dass vielerorts – über Wochen – enger digitaler Kontakt zwischen Lehrern und Schülern (oder im Grundschulbereich über die Eltern) stattgefunden hat. Meist per Email oder über Whatsapp-Gruppen. Dort wurden dann Wochenpläne und Materialien zum Ausdrucken und Bearbeiten gestreut. Im Einzelfall gab es sicher auch Videokonferenzen. Aber – wenn man sich im weiteren Umfeld umhört, dann weiß man schnell – es waren eben nur Einzelfälle. Echter Unterricht – echte Didaktik – waren in dieser Zeit Fehlanzeige. Ein wirklich herber Schlag ins Gesicht des deutschen Bildungssystems.

Wo ein Wille ist, da ist auch eine Videokonferenz mit Schülern

Darüber hinaus gibt es allerdings auch in Deutschland ganz tolle Leuchtturmprojekte, welche bereits seit Jahren absolut konsequent und erfolgreich, auf das digitale Lernen setzen. Meist sind dies jedoch Privatschulen, welche sich auch durch ein jährliches Schulgeld finanzieren. Einige werden nun ganz spontan unken, dass man diese Dinge wohl nicht mit dem öffentlichen Schulsystem vergleichen kann. Jedoch mit dem gerade erst durch die Bundesregierung beschlossenen Sofortprogramm für Schulen, werden satte 550 Millionen Euro vornehmlich für die Beschaffung von Endgeräten zur Verfügung gestellt. Dass man damit zumindest ein oder zwei Punkte auf der obigen “Mängelliste” in Richtung Digitalisierung des Lernens abhaken kann, verspricht zwar noch keine Wunder (und kommt viel zu spät), aber man hat offenbar erkannt, dass man vom privaten Schulsektor lernen kann. Denn dort ist bereits heute möglich, was man sich im staatlichen System noch hart erkämpfen muss.

Videokonferenz mit Schülern Pin
Gerade die Kleinsten brauchen beim Lernen ganz viel aktive Unterstüzung (Bild: © famveldman / Adobe Stock)

Ein wirklich spannendes Beispiel wäre die Sekundarstufe der Klax Schule in Berlin-Pankow. Dort lehrt man mit erhabener Leichtigkeit, bereits ab der ersten Klasse, auch mit der Unterstützung durch Computer und digitaler Medien. Ab dem fünften Schuljahr geht es für die Schüler an die ersten einfachen Erfahrungen mit Programmiersprachen. Während der Schließzeiten der vergangenen Monate waren die dortigen Schüler/innen bestens vernetzt und umsorgt. Jeden morgen gab es digitale Meetings, in denen Tages- und Wochenziele besprochen wurden. Darüber hinaus waren Lernbegleiter/innen ganztägig für die Kinder und Jugendlichen erreichbar. Es gibt also Orte (auch in Deutschland), an denen vernetztes digitales Lernen, hervorragend funktionieren kann.

Achtung: hier entsteht ein frisches Bildungssystem

Mit Blick auf das nach den Sommerferien startende Schuljahr, haben Eltern jedoch leider allen Grund, mit gemischten Gefühlen zu kämpfen. Wir wissen nun, dass überfällige Dinge angeschoben werden. Aber wir wissen auch, dass ein Haus aus vielen Steinen gebaut wird – und die ursprünglich geplanten Bauzeiten oft nicht eingehalten werden. Hoffen wir das Beste für die vielen ehrlich motivierten Lehrer/innen und Schüler/innen. Bundesweit.


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